BiogasFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Stand der Flexibilisierung von Biogasanlagen

Biogas als Ausgleichslösung im künftigen Energiesystem

Mit einem Anteil von 14 % leistet Biogas einen wesentlichen Beitrag zur erneuerbaren Stromerzeugung. Aktuell wird die Stromversorgung in Deutschland noch durch konventionelle Energien, wie Braun- und Steinkohle, Erdgas, Mineralöl, Kernkraft usw. gesichert. Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den Anteil des erneuerbaren Stroms am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 80 % zu erhöhen. Durch die Zunahme an überwiegend fluktuierende Energien, wie Windkraft und Photovoltaik, kommt es witterungsbedingt jedoch zu starken Schwankungen in der Stromerzeugung. Im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien hat Biogas diesbezüglich einen wesentlichen Vorteil: es ist speicherbar. Somit können Biogas-Blockheizkraftwerke (BHKW) in Zeiten von Stromüberangeboten ruhen und dann betrieben werden, wenn Lücken in der Stromversorgung gefüllt werden müssen.

Stromeinspeisung und Verbrauch, Quelle: Agora Energiewende

Stromeinspeisung und Verbrauch, Quelle: Agora Energiewende

Entwicklung der Vergütungsstruktur

Seit der Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 erhalten Biogasanlagen eine feste Vergütung für den erzeugten Strom. Bis zum Jahr 2012 wurden Biogas- und Biomethan-BHKW daher überwiegend in Grundlast betrieben. Mit der Novellierung des EEG 2012 schaffte die Bundesregierung mit der Einführung der Direktvermarktung und der Flexibilitätsprämie erstmals Anreize zur bedarfsgerechten Stromerzeugung aus Biogas. Diese Option schloss auch alle Bestandsanlagen ein.

Mit Hilfe der sogenannten Flexprämie sollten für einen flexiblen Anlagenbetrieb notwendige Investitionen in Anlagenkomponenten, z. B. in zusätzliche Gas-und Wärmespeicher oder in BHKW, teilweise refinanziert werden. Der erzeugte Strom konnte durch die Einführung der Direktvermarktung im Gegensatz zur klassischen EEG-Festvergütung, z. B. über die Strombörse, vermarktet werden. So können zusätzliche Einnahmen durch die Verlagerung der Stromproduktion in Hochpreiszeiten erreicht werden. Mit dem EEG 2014 und dem EEG 2017 wurde die Direktvermarktung und die Flexprämie für Bestandsanlagen fortgeführt und durch den sogenannten Flexibilitätszuschlag für Neuanlagen ergänzt.

Externer Gasspeicher der flexibilisierten Biogasanlage Langwedel, Quelle: Agrarservice Lass GmbH

Externer Gasspeicher der flexibilisierten Biogasanlage Langwedel, Quelle: Agrarservice Lass GmbH

Mit dem EEG 2017 wurde das Ausschreibungsmodell eingeführt und die Vergütung durch ein offenes wettbewerbliches Bieterverfahren weiter an die Regeln der Marktwirtschaft angepasst. Die Zahlungshöhe wird durch regelmäßige Ausschreibungen einer festen Menge an Biogasleistung durch die Bundesnetzagentur ermittelt. Die Flexibilisierung ist Bedingung für die Teilnahme an den Ausschreibungen. Durch den Wirkungsgradgewinn moderner BHKW mit höherer Leistung ergibt sich ein Mehrertrag, der bislang in der Regel höher einzuschätzen ist als die Mehrerlöse durch die Direktvermarktung des erzeugten Stroms zu Hochpreiszeiten.

 

Stand der Flexibilisierung in Deutschland

Die Flexprämie bzw. der Flexzuschlag dient als Anreiz, um zusätzliche installierte elektrische Leistung für eine bedarfsorientierte Stromerzeugung bereitzustellen und somit auf Preissignale des Strommarkts reagieren zu können. Gegenwärtig erhalten noch rund 15 % der Biogasanlagen, bezogen auf die installierte elektrische Leistung, die EEG-Festvergütung. Die restlichen 85 % vermarkten den erzeugten Strom direkt an der Börse. Entsprechend des Leitfadens „Flexibilisierung der Strombereitstellung von Biogasanlagen“, in dem die Daten der Bundesnetzagentur und der Übertragungsnetzbetreiber ausgewertet wurden, erhalten rund 3.146 Biogasanlagen mit einer Gesamtleistung von 2.022 MWel die Flexprämie. Hinzu kommen ca. 191 Biomethan-BHKW mit einer Leistung von 169 MWel. Insgesamt erhielten demnach mehr als 3.300 Biogas- und Biomethan-BHKW mit einer gesamten installierten Anlagenleistung von rund 2,2 GWel die Flexprämie von ihrem jeweiligen Netzbetreiber. Obwohl die Stromeinspeisung zu Hochpreisphasen Mehrerlöse verspricht, werden die meisten dieser Anlagen trotzdem nicht marktpreisorientiert betrieben. Ursachen sind Hemmnisse oder mangelnde Anreize, sodass diese Anlagen ihre Flexibilisierung nicht auf den Fahrplanbetrieb auslegen.

Leitfaden Flexibilisierung der Strombereitstellung von Biogasanlagen, Quelle: DBFZ und IEE 2019

Leitfaden Flexibilisierung der Strombereitstellung von Biogasanlagen, Quelle: DBFZ und IEE 2019

Zukunftsweisend flexibilisierte Biogasanlagen

In einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. geförderten Projekt "VisuFlex - Visualisierung der Netz-/Systemdienlichkeit flexibilisierter Biogasanlagen" wird gezeigt, dass die Strompreise sehr genau der Residuallast folgen und somit eine geeignete Steuerungsgröße für die Betriebsweise von Biogasanlagen darstellen. Unter Einbindung verschiedener Direktvermarkter wurden anhand definierter Kriterien die Biogasanlagen identifiziert, die tatsächlich bedarfsgerecht betrieben werden. Deren aufsummierte Stromeinspeisung wird den Strompreisen sowie der Residuallast in Echtzeit gegenübergestellt. Die Auswertung erfolgt rückwirkend ab 01.01.2019. Das Ergebnis zeigt, dass die ausgewählten Biogasanlagen sehr zuverlässig zu Zeiten von Last- und Preisspitzen einspeisen und somit optimal markt- und systemdienlich betrieben werden.

Visualisierung der Netz-/Systemdienlichkeit flexibilisierter Biogasanlagen

Die Anzahl der tatsächlich flexibilisierten Anlagen ist allerdings noch sehr gering und wird von den Projektbearbeitern auf ca. 300 Anlagen geschätzt. Daher bleiben die Effekte der Flexibilisierung bislang kaum sichtbar und der Wert real existierender Biogas-Speicherkraftwerke wird für den Strommarkt nicht wahrgenommen.

Das Vorhaben wurde durch die Agrarservice Lass GmbH mit Hilfe des Flexperten-Netzwerkes bearbeitet. Die folgenden Direktvermarktungsunternehmen waren darüber hinaus an der Identifikation tatsächlich flexibilisierter Biogasanlagen und an der Übermittlung deren Lastgänge beteiligt:

Ausblick

Für die flexible Stromerzeugung aus Biogas herrscht noch erheblicher Optimierungsbedarf. Die flexible Leistung ist generell noch sehr gering und viele der bereits flexibilisierten Biogasanlagen werden nicht fahrplanoptimiert betrieben. In der Darstellung zur Einspeisung verschiedener Stromerzeuger ist die Flexibilität von Biogasanlagen daher bislang nicht sichtbar. Ursachen sind Unsicherheiten der Anlagenbetreiber hinsichtlich Anlagenwirtschaftlichkeit, passender Betriebskonzepte, des zusätzlichen Arbeitsaufwands sowie der Vielfalt neuer Vertragspartner. Technische, rechtliche, ökonomische und ökologische Rahmenbedingungen erschweren zudem die Umstellung auf die bedarfsgerechte Stromerzeugung. Die optimierte Fahrplangestaltung erzielt zudem noch nicht die gewünschten Mehrerlöse.

Trotzdem wird der Betrieb von Biogasanlagen künftig vermehrt bedarfsorientiert erfolgen, da eine Teilnahme an den Ausschreibungsverfahren nach EEG 2017 die Flexibilisierung voraussetzt. Zum einen werden entweder zusätzliche bzw. leistungsstärkere BHKW errichtet, ohne dass die eingesetzte arbeitswirksame Biogasmenge steigt. Alternativ wird die Biogasproduktion der Anlagen z. B. durch Substratanpassungen reduziert, ohne die installierte Leistung zu verändern. Denkbar ist auch die Kombination aus Reduktion der Bemessungsleistung durch Substratreduktion und Leistungserhöhung oder die anteilige Nutzung des produzierten Biogases zur bedarfsgerechten Stromerzeugung.

Ein hohes Optimierungspotenzial besteht seitens der Fahrplangestaltung. Aussichtsreich sind v. a. die steigenden Preisspannen und die damit verbundenen höheren Erlösmöglichkeiten. Mittels täglich optimierter Fahrpläne bzw. einer am Spotmarkt orientierten Echtzeitregelung ließe sich die Stromproduktion von Biogasanlagen zunehmend am Strombedarf ausrichten.